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Digitales Lernen
im technischen Außendienst

Technische Lösungen und Herausforderungen

von | Jan 28, 2021 | Artikel

Vorbei sind die Zeiten in denen Marketing und Vertrieb ihre Außendienstler eingeladen haben, um die neuesten technischen Produkte vorzustellen. Kein Staunen, kein Anfassen, kein Denken mit den Händen, keine geile Party.

Trotzdem müssen die Neuprodukte kommuniziert werden. Nun, wenn man bedenkt, dass der Speiseplan im Intranet die meistgeklickte Seite eines Unternehmens ist, kann man sich vorstellen, wie intensiv Arbeitsanweisungen oder Vertriebsinformationen gelesen werden. Genau – Holschuld – also eher selten bis gar nicht.

Die Party ist vorbei – oder doch nicht?

Also ist es an der Zeit ein richtig cooles Online-Event mit Lern- und Spaßfaktor zu machen, um das Produkt an die Außendienst-Mitarbeitenden zu kommunizieren. So weit, keine sensationell neue Idee, aber eine technische und didaktische Herausforderung. Außerdem sollen die Servicetechniker*innen ja lernen und anwenden und nicht nur sehen.

Die Frage nach dem Endgerät

Bevor man an die inhaltliche Planung geht, muss man sich klar machen, welche Infrastruktur vorhanden ist. Der technische Außendienst ist eine Fundgrube für Antiquitäten. Selbst ein Nokia-Tastentelefon ist da hin und wieder noch zu finden. Es geht aktuell um mehr als nur die telefonische Erreichbarkeit zur Terminabsprache. Deshalb ist das A und O, um den Außendienst aktuell zu halten, ein internetfähiges, dienstliches Smartphone, welches auf andere Arbeitsgeräte synchronisiert ist. Und nein, das ist nicht der Job des Mitarbeitenden!

Die Frage nach dem Betriebssystem

Wie viel Sinn macht es, allen ein iPad (iOS) an die Hand zu geben, wenn das restliche Unternehmen auf Microsoft 365 (MS) oder Google GSuite (Android) läuft? Das macht die Synchronisierung zwischen den Geräten nur unnötig schwer. Möglich ist sie natürlich, Frust ist jedoch vorprogrammiert.
Neben der Synchronisierung ist die Frage nach dem Betriebssystem auch deshalb wichtig, weil es bestimmte Anwendungen nur für bestimmte Betriebssysteme gibt oder diese nur in bestimmten Browsern laufen. So unterstützt der Browser Safari (Apple), nicht jede Lernplattform. Alles, was der Benutzer manuell auswählen muss, um vollen Zugang zu den Onlineangeboten zu haben, kann ein Akzeptanzproblem auslösen. Je mehr Klicks, desto mehr Abbrüche.

Viele Lernpfade möglich machen

Vermutlich stimmen Sie zu, dass nicht jeder Mensch gleich ist. So ist das auch beim Lernen. Deshalb versucht man rollenspezifische Lernpfade zu ermöglichen. Diese werden über intelligente Lernumgebungen bereitgestellt – so genannten Smart Learning Environments. Lernplattformen, auf Basis einer künstlichen Intelligenz, können solche vernetzten Lernwege aufzeigen und abbilden. Auf Wunsch kann auch das Lernerverhalten ausgewertet werden. Achtung, spätestens jetzt wird Ihr Betriebsrat und der Datenschützer hellhörig. Aber auch die kann man begeistern und mit ihnen eine gute Lösung finden. Akzeptieren Sie nicht, wenn es nur „geht nicht“ heißt.

Dazu muss sich zunächst der Personalverantwortliche oder die L&D-Abteilung Gedanken über mögliche Lernprozesse machen und sich der diversen Rollen des technischen Außendiensts bewusst werden. Mal sind diese Mitarbeitenden Berater, mal Inbetriebnehmer und somit selbst Wissensvermittler oder einfach nur der Reparaturservice. Eines sind sie immer – Ihr Aushängeschild!

Medienmix statt PDF

Häufig muss es schnell gehen und die Produktentwicklung läuft bis zum geplanten Rollouttermin, so dass nicht selten das Schulungsthema hinten herunterfällt. Schnell ein PDF ins Intranet und fertig. Bedenken Sie – Techniker*innen denken mit den Händen, die lesen nicht gern und haben Deutsch als Zweitsprache.
Den Auftakt des Lernpfades kann die virtuelle Produktpräsentation mit der MS Hololens sein. Die Produktentwicklung präsentiert beispielsweise mit der Hololens die neue Anlage. Dabei hat der Präsentierende in der Firmenzentrale die Hololens auf und schaut sich die Anlage aus allen Perspektiven an. Die Mitarbeitenden im Außendienst bekommen synchron das Bild, was die Brille aufnimmt, in 3D auf dem Endgerät angezeigt. Die technischen Voraussetzungen finden Sie hier.
Diese Möglichkeit ist relativ teuer, bildet die Realität aber am besten ab. Genauso, wie eine VR 360 Grad-Lösung, bei der die neue Anlage mit einem vorher aufgenommenem 360 Grad-Video in der VR-Brille gezeigt wird. Dabei benötigt aber jeder Techniker*in eine eigene Brille, um dieses Video dezentral zu schauen.
Soll man die Montage üben, ist eine VR Brille mit Handcontrollern wie z. B. die Oculus Quest perfekt. Aber auch damit müsste man die gesamte Mannschaft ausstatten – Preis pro Stück beläuft sich aktuell auf über 400 Euro. Es stellt sich darüber hinaus die Frage, wo liegt der Content?
Es gibt aber auch 3D-Learningspaces wie z. B. von Tricat. Dabei wird die neue Anlage in 3D, in einer Art Computerspiel, im virtuellen Auditorium präsentiert. Die aktuellen Anwendungen sind jedoch (noch) nicht alle geeignet für mobiles Lernen. Am Desktop ist in der Regel eine Softwareinstallation nötig, was aufgrund eingeschränkter Administrationsrechte eine weitere technische Hürde beinhaltet.

Darf es etwas weniger „fancy“ sein?

Ok, bleiben wir realistisch. Die beschriebenen VR- oder AR-Anwendungen, das so genannte immersive Lernen, ist für die meisten Unternehmen noch Zukunftsmusik. Sie erinnern sich an das Nokia-Tastentelefon? Genau.
Bei großen Anlagen, die im Handling eventuell auch sehr risikobehaftet sind, ist eine wirtschaftliche Betrachtung VR-Training vs. Präsenzschulung durchaus sinnvoll.

Lern- und Arbeitsphase verschmelzen – kostengünstig und gut

Die Gerätespezifikationen des neuen Produktes kann man, ganz einfach, mit einem Erklärfilm zeigen. Der Vorteil ist, dass diese Ressource auch nach der Lernphase genutzt werden können.
Mit einem QR-Code auf dem Gerät, kann dieser Erklärfilm jederzeit direkt während der Installation, Wartung oder Reparatur angeschaut werden. Mit dem QR-Code können außerdem auch maschinenspezifische Ersatzteillisten direkt angesteuert werden.
Der häufigste Fehler bei Erklärfilmen ist, dass sie zu lang sind und ein Film mehrere Inhalte abdeckt, die man vielleicht gerade nicht braucht. Daher sollte man sehr kurze Einheiten (idealerweise 3 – 5 min) zur Beantwortung gezielter Fragen erstellen. Bei den Aufnahmen sollte man darauf achten, dass die Details, die zur Beantwortung der Frage wichtig sind, gut sichtbar sind. Dafür ist gutes Licht wichtig, aber noch wichtiger ist ein ausgezeichneter Ton.

Datenmengen sicher bewältigen

Nun bleibt auch hier die Frage, wo die großen Video-Datenmengen liegen und per Stream abrufbar sind? Es gibt Videoplattformen wie YouTube, die auch geschlossene Kanäle erlauben. Ein mulmiges Gefühl bei firmenspezifischen Daten, bleibt und ist berechtigt.
Für einige Lernmanagementplattformen, die sie zum Teilnehmermanagement und für Ihre
E-Learningangebote so oder so benötigen, ist der Videospeicher in der Regel auch kein Problem mehr. Schauen Sie aber genau hin – wichtig dabei ist, dass der Videoabruf nicht die restliche Lernumgebung beeinträchtigt und lesen Sie ihre Verträge mit dem Anbieter gut durch!
Es gibt innovativen Speicher-Lösungen, die auch mitwachsen – egal wie viele Mitarbeiter auf den Content zugreifen. Lassen Sie sich hierzu auf alle Fälle immer von einem professionellen ITler beraten! Achten Sie darauf, dass nicht jede Fachabteilung ihr eigenes Süppchen kocht. Das ist teuer, ineffizient und treibt die IT-Servicekosten nach oben.

Didaktik – wer braucht das schon?

Hand aufs Herz, wie viele PowerPoint-Schlachten haben Sie schon überlebt?
Die Antwort, wird wie bei vielen Menschen im technischen Bereich lauten: unzählige! Klar kann man auch ein Produkt schnell in einer Online-Videokonferenz per PowerPoint vorstellen. Super, Zeit zum Kochen, Wäsche aufhängen und den Hund Gassi führen. Aber wir wollen doch, dass schon da etwas hängen bleibt.
Wenn Sie Lernpfade durchdenken wollen, müssen Sie sich mit Ihrer Zielgruppe auseinandersetzen. Fahren Sie mit dem Außendienst mit. Sie bekommen ein Gefühl für deren Fragen und Herausforderungen beim Kunden. Auch die Funklöcher werden Sie erleben, ungeeignetes oder falsches Werkzeug, lange Bestellprozesse und Systemkritik. Das alles gehört dazu, um die Akzeptanz und den Bedarf einschätzen zu können. Um sagen zu können, wo gehen die Leute mit und wo sollte man eher noch ein wenig Zeit vergehen lassen, reicht ein Tag Hospitanz.
Didaktisch nennt man das, Zielgruppen- und Bedarfsanalyse. Seien Sie sich bewusst, dass es mehrere Lernanlässe geben kann wie z. B. neuer Mitarbeiter, neues Produkt, neues System, neuer Prozess oder neuer Kunde. Und neu heißt immer – Komfortzone verlassen.

Das Lerndesign im Wissens-Ökosystem

Wenn das klar ist, geht es ans Lerndesign und das geht nicht, ohne die technische Infrastruktur mitzudenken. Hinzu kommt, dass Interaktionen, Bilder, Animationen und Erklärfilme in eine gute Komposition gebracht werden müssen. Idealerweise koppelt man dieses Lernsetting an hilfreiche Apps wie z. B. Ersatzteilbestellung oder ein technisches Unternehmenswiki mit Reparaturhinweisen und Bedienungsanleitungen.
Das Lerndesign zu denken, bedeutet auch das Wissensnetzwerk der Lernenden mitzudenken und zu fördern. Denn heute bewegt sich der Lernende in so genannten Knowledge Ökosystemen. Das bedeutet, dass er sich vernetzt Informationen herholt. Intranet, Twitter, LinkedIn, Blogs, Lernplattformen, Seminare aber auch Kollegen gehören zu seinem Ökosystem. Linear vorgegebene Lernwege, werden den Anforderungen des Lernenden nicht mehr gerecht. Deshalb sind die Abbrüche hoch.
Achten Sie also auch auf Veröffentlichungen aus Marketing und Vertrieb. Idealerweise hat Ihr Außendienst einen kleinen Informationsvorsprung vor dem Kunden und ist intern bestens vernetzt und angebunden.

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Juliette Frank de Cuzey

Katja Caspari

Caspari Consulting

E-Learning

Katja ist Expertin für Technikdidaktik und Fachfrau für Digitalisierung in der Aus- und Weiterbildung. Seit Ihrem Abschluss als Berufspädagogin arbeitet Sie an innovativen Lehr-Lernkonzepten und einer modernen Arbeits- und Lerninfrastruktur.

Katjas Profil